A silja bibop, a silja biduu...
Da kommt man als Leser:in vielleicht tatsächlich kurz ins Stolpern - ungewohnte Wörter und Silben, aber ganz viel Klang und Rhythmus.
Genau dies liegt dem Scatgesang im Jazz zugrunde und mit Jazz in der Elementaren Musikpädagogik möchten wir uns heute ein wenig genauer beschäftigen.
"A silja bibop" kommt übrigens vom Jazzberg-Blues, den Dodo in "Dodo auf der Suche nach der Musik" kennenlernt, aber mehr dazu später.
Eine kurze Begriffsklärung zum Jazz
Der Jazz ist eine ungefähr um 1900 in den USA entstandene Musikrichtung, ursprünglich aus der afroamerikanischer Tradition kommend, die sich vielfältig weiterentwickelt hat. Zentral ist die starke Rolle des Rhythmus', welcher sehr von Bewegung und Tanz geprägt ist, sowie eine eigene Form von Harmonik und Melodik (vgl. Septakkorde, Blue notes usw.). Jazz wurde und wird hauptsächlich durch Hören und Imitieren gelernt, das Call & Response singen war schon bei den ersten Lied-Formen ein markantes Element.
Unter Jazz versteht man jedoch auch eine ganze Vielzahl an unterschiedlichen Stilistiken: Latin-Jazz, Bebop, Cool Jazz, Modern Jazz, Gospel usw. Deshalb lässt sich schwer definieren, was Jazz denn nun tatsächlich ist. Auch spielen mittlerweile nicht nur die "traditionellen Jazz-Instrumente” (Schlagzeug, Bass, Saxophon, Klavier, usw.) den Jazz, sondern quasi alle Instrumentengruppen haben ihn für sich entdeckt (z.B. Jazz mit Blockflöte oder Jazz mit Cello).
Eines haben jedoch alle Jazz-Richtungen gemeinsam - und das ist der Platz für Improvisation und eine gewisse Freiheit für die Spielenden.
Der Scat-Gesang
Der Scat-Gesang mit den jazzigen Scat-Silben entwickelte sich in den 20er Jahren des letzten Jahrhunderts in den USA. Sänger:innen begannen, die bereits von Saxophon, Trompete und anderen Jazz-Instrumenten bekannten, improvisierten Phrasen auch auf die Stimme zu übertragen. Die Silben haben dabei keinen Zusammenhang oder inhaltlichen Sinn. Dadurch können sich nun auch Singende in den Improvisationsphasen der Stücke einbringen, die Verwendung von Konsonanten bildet dabei einen wichtigen Grundpfeiler, da dadurch die Sprache sehr rhythmisch platziert werden kann. Die bekanntesten Vertreter des Scat-Gesangs sind definitiv Louis Armstrong, Frank Sinatra, Ella Fitzgerald und Al Jarreau. Am Ende dieses Artikels verlinken wir euch noch ein paar Hörbeispiele zur Inspiration.
Die Bedeutung von Lautmalerei in der Entwicklung der Sprache
Die sprachliche Entwicklung bei Kindern verläuft zunächst hauptsächlich durch Hören, Imitieren und später dann mit erstem Ausprobieren von selbst produzierten Klängen - ein Brabbeln, Schnalzen, erste Buchstaben und frei erfundene, also improvisierte, Kombinationen dieser. Die Freude der Kinder an diesen Sprachspielen ist deutlich erkennbar. Aus solchen Sprech-Experimenten beginnen sie dann allmählich, ihnen bekannte Wörter nachzumachen und so die Muttersprache zu lernen. Aus “Ein-Wort-Aussagen” werden längere Phrasen, bis hin zu Sätzen und Erzählungen.
Die Freude an dem Klang der Sprache soll so lange wie möglich gefördert werden. Wir denken, dass Kinder mit ihrem neu erworbenen Repertoire erst recht kreativ werden wollen und mit Sprechversen, Zungenbrechern und Nonsense-Reimen oder Fantasiesprachen spielerisch aktiv werden. Ein wichtiges Thema also in der pädagogischen Begleitung der Kleinen und ein herrlicher Ansatzpunkt für die Verwendung von Elementen des Scat.
Parallelen zwischen Jazz und Elementarer Musikpädagogik
Ein Ziel der Elementaren Musikpädagogik ist unserer Meinung nach definitiv das Kennenlernen von Musik aus anderen Kulturen bzw. generell ihrer Vielfältigkeit.
Darüber hinaus lässt sich bei genauerer Betrachtung der Jazztradition und Vermittlung von Jazz erkennen, dass hierbei das Material oft auditiv weitergegeben wird bzw. die Improvisation und das eigene kreative Schaffen im Mittelpunkt steht.
Vergleicht man also die Konzepte von Jazzpädagogik und EMP, lassen sich viele Gemeinsamkeiten erkennen:
Lernen über Vor- und Nachmachen
Musizieren ohne Noten
Stellenwert der Improvisation mit ggf. vorgegebenen Material (z.B. Pentatonik) oder freie Improvisation (Free Jazz)
Exploration von Klang; in unserem Beispiel der Sprache und ihrer klanglichen Möglichkeiten; Spielerischer, freudvoller Umgang mit diesen Möglichkeiten
Anregung von Kreativität und gestalterischen Aspekten statt Nachahmung vorgegebener Formen und Prinzipien
stark bewegungsorientierter Ansatz; Bewegung und Musizieren ist verknüpft (vgl. Doug Goodkin)
Die rhythmische Improvisation wird von Musikpädagog:innen bereits in vielen Konzepten und Stunden mit einbezogen, die melodische Improvisation noch eher weniger, da sie mehr Vorbereitung und passendes Instrumentarium benötigt bzw. es noch weniger Vorbilder an Methoden und Spielen dazu gibt.
Barbara Stiller spricht mit der NMZ über die Verbindung von Jazz und (moderner) Musikpädagogik:
Will man Kinder darin unterstützen, ein musikalisches Vokabular zu entwickeln, bietet sich die Improvisation in besonderer Weise an. Das Improvisieren ermöglicht darüber hinaus die Aneignung der klanglichen Umwelt und fördert Beziehungsaufnahme, Interaktion und Kooperation. Kinder entwickeln dabei ihre kreativen Fähigkeiten weiter und kommen mit unterschiedlichen musikalischen Genres in Kontakt. Der hohe Stellenwert von Improvisation im Jazz spricht daher für die Einbeziehung dieser Musik in die Arbeit mit Kindern.
Barbara Stiller in eine Interview der NMZ
Stiller erzählt weiter über das Verwenden der Improvisation als künstlerische Ausdrucksform, das Hören und Imitieren und das Potential einer transkulturellen Annäherung durch Jazz und Jazztradition. Außerdem fügt sie den ganzheitlichen Zugang zu Musik durch die groove- und bewegungsbasierten Ursprünge des Jazz an. Lest dazu einfach hier das gesamte Interview: https://www.nmz.de/artikel/improvisation-und-jazz-fuer-kinder-0
Beispielmaterial für Jazz und Scat im Unterricht:
Oop bap sh’bam (Dizzy Gilllespie):
mögliche Einführung von Scat-Sprache und Scat-Improvisation (z.B. durch eine "Zeitung" aus dem Land des Jazz - Pädagog:in und Kinder wollen gemeinsam diese neue Sprache erkunden) und das Hören einer Big Band
Die stadtbekannte Bären-Big-Band
Dschungelblues (S. Karmann):
Ein Ohrwurm-Blues, der sich wunderbar zur Einführung von Jazz und Blues in der musikpädagogischen Praxis eignet.
Boom chicka boom (Doug Goodkin):
Sprechstück zu Swing-Rhythmus und Experimentieren mit verschiedenen Ausdrucksmitteln der eigenen Sprache
Head & shoulders:
Peppiges Lied mit Bewegungen zu Körperteilen, Erarbeiten der deutschen und englischen Begriffe dafür und später dann erfinden von eigenen Aktionen und übertragen auf die Melodie
z.B. Gitarre Spielen Baby One Two and Three; Reiten gehen Baby One Two and three
allg. viele Songs aus alten Disney-Filmen (”Bibbidi babbidi bu” aus Cinderella/ “Katzen brauchen furchtbar viel Musik” aus Aristocats / “Ich wär’ so gern wie du” aus Dschungelbuch)
"Bibbidi babbidi bu" https://www.youtube.com/watch?v=NEq7hzT32xU&t=54s&ab_channel=NoMusic%2CJustVocalsandRealisticSounds
"Katzen brauchen furchtbar viel Musik" https://www.youtube.com/watch?v=4xfIRzg3BI0&ab_channel=CoolDJMiz
" Ich wär' so gern wie du" https://www.youtube.com/watch?v=NGPezuj3nwY&ab_channel=SoundtrackBoom
Dodo im Jazzberg
Auch Dodo lernt im Hörspiel “Dodo auf der Suche nach der Musik” den Jazz kennen - im sogenannten Jazzberg trifft sie auf die wundersame Jazz-Sprache und die freundliche Ella erklärt ihr vieles darüber bzw. zeigt ihr den Blues des Jazzbergs. Dieser wird dann sogleich am Hauptplatz der Stadt mit der ganzen Jazzband gespielt, was für ein Fest! Schlagzeug, Bass, Gitarre, Saxophon - alle sind gekommen, um gemeinsam zu Spielen und zu Improvisieren.
Hört hier doch gleich mal die Folge nach und erfahrt mehr über Jazz und den Scat-Gesang:
Literatur:
Doug Goodkin - Teaching Jazz for all ages
Das verrückte Jazz-Konzert (CD)
http://zaeb.net/wordpress/wp-content/uploads/2018/04/Siedenburg_finfin.pdf
https://klexikon.zum.de/wiki/Jazz
https://www.nmz.de/artikel/improvisation-und-jazz-fuer-kinder-0
Scat-Playlist:
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Wir freuen uns schon auf das nächste spannende Thema und wünschen euch viel Spaß beim Ausprobieren, Tanzen und Musizieren - haltet die Ohren offen!
Auf bald,
Eure Marie & Marie & Dodo (die Ohrenspielerei)
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